Erinnern an die Opfer der Nationalsozialistischen Gewalt, Villach / Kärnten


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ZEITDOKUMENTE

Anzeige gegen Kriminalinspektor Karl Malle

Karl Malle war verantwortlich für die Deportation der Kärnter Roma und Sinti. Die Anzeige wurde von der KPÖ-Kärnten an die Staatsanwaltschaft Klagenfurt am 22. September 1947 eingebracht.

Abschrift angefertigt von Hans Haider / Original im Archiv der KPÖ Klagenfurt

Ra/Hi. 22.
September, 1947

An die
Staatsanwaltschaft
in Klagenfurt

Die Kommunistische Partei Österreichs, Landesleitung Kärnten, erstattet nachstehende

A N Z E I G E

gegen den derzeitigen Krim. Abt. Insp. M a l l e Karl, von der Bundespolizeidirektion Klagenfurt.
Krim. Abt. Insp. Malle hat sich des Verbrechens nach § 3 und § 5 KVG, wie des § 8, 10/2 VG. schuldig gemacht.

T a t b e s t a n d:

Malle war während der Hitlerära jahrelanger Leiter der Abteilung für "Vorbeugungshaft" (KZ-Einweisungen) bei der Nationalsozialistischen Kriminalpolizeistelle Klagenfurt.
Durch seine Hände gingen hunderte Antifaschisten (außer den asozialen Elementen) in die Konzentrationslager. Laut Dienstvorschrift der ehem. faschistischen Kriminalpolizei ist einwandfrei festgestellt, dass Malle auf das engste mit der berüchtigten Gestapo-Organisation, vor allem mit deren Chefs, zusammenarbeitete. Auch war er der einzige Beamte der Kripostelle Klagenfurt, der unmittelbar mit dem Reichssicherheitshauptamt in Berlin den dienstlichen Schriftverkehr pflegte.

Die sogenannte "Zigeuneraktion" während der Zeit des "1000-jährigen Reiches" war allgemein bekannt. Es ist interessant, dass es hier wiederum Malle war, der diese Aktion zur Durchführung brachte. Sämtliche Zigeuner, die seinerzeit in Kärnten ansässig waren, wurden in das KZ-Lackenbach an der burgenländisch-ungarischen Grenze gebracht und dort, wie bekannt, auf das fürchterlichste in den Tod getrieben.

Glaublich 1941 wurde die erwünschte Zigeuneraktion in ganz Kärnten ins Rollen gebracht. Vor allem in Klagenfurt stand Malle dieser Aktion als unmittelbarer Leiter vor und gab persönlich seine Weisungen. Diese Aktionen wurden in der Nacht durchgeführt und hier spricht es wohl einzig für den Charakter des Malle, da er brutal, herzlos und ohne Erbarmen vorging. Malle war unmittelbar bei den Verhaftungen zugegen und erteilte den mitanwesenden Beamten seine Weisungen. Es braucht wohl nicht erwähnt zu werden, dass sich auch hier herzzerreissende Szenen abspielten. Malle stand jedoch daneben, zeigte nicht die leiseste Rührung, sondern liess seiner Brutalität freien Lauf. Sämtliche Zigeuner wurden ihres Vermögens beraubt und durften nur ca. 15 kg an Gebäck und 100 RM ins Gefängnis mitnehmen. In überfüllten Waggons und vereinzelt sogar gefesselt rollten die Transporte unter den unmenschlichsten Verhältnissen nach Lackenbach. Geleitet wurden diese Transporte von Beamten der ehem. Kriminalpolizeistelle in Klagenfurt. Malle waren diese Verhältnisse im KZ Lackenbach genauestens bekannt, da er selbst an Ort und Stelle sich überzeugen konnte, wo fast täglich dutzende Personen in den Tod getrieben wurden. Malle hatte auch asoziale Elemente, bei denen die Voraussetzung für eine Einweisung in das KZ nicht gegeben war, wenn sie politisch belastet, also Antifaschisten waren, in die Hände der Gestapo gespielt, mit welcher er wie erwähnt, durch seine Stellung aus eigenem Antrieb auf das engste zusammenarbeitete. Die Gestapo hat dann jedoch die Einweisung in ein KZ durchgeführ, da sie die Voraussetzung wegen der politischen Tätigkeit, bzw. vermutlichen Tätigkeit oder Unzuverlässigkeit gegeben sah und nebenbei noch die Person als kriminell vorbestraft bezeichnen konnte.

B e w e i s:

Sämtliche Kriminalbeamten bei der Kripostelle Klagenfurt, die während der Zeit der nat.soz. Gewaltherrschaft in Österreich unter bzw. mit Malle Dienst versehen haben, werden diese vorerwähnten Angaben bestätigen können. Weiters können ehem. Gestapo-Beamte, welche sich derzeit in Haft oder auf freiem Fuss befinden, konkrete Angaben machen. Weiteres dürfte auch der jetzige Leiter der krim. Abt. 1 (Staatspolizeiliche Abteilung) Krim. Abt. Insp. Puganigg konkrete Angaben machen können, da ihm sicherlich bei Einvernahmen und seiner sonstigen heutigen Tätigkeit Informationen bzw. Äußerungen über Malle zu Gehör gekommen sein dürften. Außerdem wird die Landesleitung der KPÖ Kärntens von sich aus durch weitere Informationen und Herbeischaffung von zusätzlichen Beweismitteln, sowie auch durch die Presse, die Staatsanwaltschaft Klagenfurt tatkräftig unterstützen.

Malle war Mitglied der NSDAP und wie jeder SS-taugliche Kriminalbeamte Angehöriger der SS und war diesbezüglich beim SD (Sicherheitsdienst) SS-mässig geführt und mit dem Dienstgrad eines SS-Sturmscharführers eingegliedert.
Zur Klärung bemerken wir, dass sämtliche Kriminalbeamte, welche SS-tauglich und zuverlässig waren, zum SD aufgenommen wurden und dort ihren SS-Dienstgrad nach dem Kriminaldienstgrad angemessen erhielten. Nur solche Beamte wurden zum "besonderen Einsatz" herangezogen und zwar in okkupierten Ländern. Ausserdem ist Malle als ehem. PG- und SS-Angehöriger registrierungspflichtig, was er aber unterlassen hat.
Wir ersuchen die Staatsanwaltschaft Klagenfurt die gerichtlichen Erhebungen, sowie die dazu notwendigen Vernehmungen durch einen der Herren Untersuchungsrichter vom Landesgericht Klagenfurt durchführen zu lassen, da eine eventuelle Bearbeitung des Falles Malle durch die Kripo Klagenfurt sicherlich einseitig ausfallen und ohne Zweifel stark in jeder Hinsicht beeinflusst werden dürfte. Wir begründen dies damit, da sich mehrere im Dienste der Bundespolizeidirektion Klagenfurt (Kriminalpolizei) stehende Beamte ähnlicher Verbrechen während der nat. soz. Gewaltherrschaft in Österreich schuldig gemacht haben. Wir bemerken, dass diesbezügliche Informationen laufend einlangen und eine Anzeige gegen weitere noch in Diensten stehenden Krim.Beamten zum gegebenen Zeitpunkt überreicht wird.

Zum Abschluss erwähnen wir, dass Malle den hohen, verantwortungsvollen Posten bei der Kripo Klagenfurt während der Zeit der nat.soz. Gewaltherrschaft in Österreich nur bekleiden konnte, da er ein gefestigter und fanatischer Nationalsozialist war und seinen Vorgesetzten seine Treue und aufopfernde Arbeit bewiesen hat. Er zeigte auch, dass er vieles aus eigenem Antrieb und politischer Gehässigkeit für seinen "Führer" erledigte und somit selbstständig und zur vollsten Zufriedenheit seiner unmittelbaren höchsten Vorgesetzten arbeitete. Malle erhielt auch für seine aufopfernde, verbrecherische Tätigkeit verschiedene Belobigungen von höheren Nazi-Stellen. Bemerkenswert ist auch, dass Malle aus der kath. Kirche während der Zeit der Gewaltherrschaft in Österreich ausgetreten ist und damit bewies, dass er sich mit Leib und Seele seinem "Führer" und dessen Wahnideen verschrieb.

Da Verdunkelungsgefahr in jedem Falle vorliegt und auch Haftgründe gesetzmässig vorhanden sind, ersuchen wir um sofortige Inhaftsetzung des Malle und Durchführung der gerichtlichen Voruntersuchung gegen denselben.

Es kann als sicher angenommen werden, dass Malle von höheren Stellen protegiert wird, ansonsten es unverständlich erscheint, dass ein Kriegsverbrecher solchen Ausmasses, sich heute noch in einer solchen exponierten Dienststellung halten kann. Wir werden den weiteren Verlauf dieser Angelegenheit und der Untersuchung auf das genaueste weiterverfolgen, was bestimmt im Interesse aller demokratisch gesinnten Österreicher liegt und hoffen wir um die eheste Erledigung unserer Anzeige.

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