Erinnern an die Opfer der Nationalsozialistischen Gewalt, Villach / Kärnten


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INTERVIEWS - Zeitzeugen erinnern sich

Villacher Sinti - Erinnerungen an jene Sinti, die bis 1941 in Seebach bei Villach lebten

 

Anna Volpe erinnert sich an die Deportation der Seebacher Sinti im Oktober 1941:
Anna Volpe, geborene Pachernik, ist die Schwester von Mathilde Pachernik, die mit einem Sinti zwei Kinder hatte. Sie wurde deportiert und gemeinsam mit ihren Kindern ermordet.
"Meine Schwester, die Mathilde, war mit dem Karl Taubmann, einem Zigeuner verlobt und hatte mit ihm zwei Kinder, die Melitta (1 Jahr und 7 Monate) und die Isabella (7 Wochen). Sie hatten sich sehr gern. Sie hat aber damals mit den beiden Kindern noch bei uns in der Kaserne gewohnt. Daneben, also neben der Kaserne gab es zwei Häuser, in denen die Zigeuner wohnten. Die Häuser wurden nach dem Krieg abgerissen.
Die Polizei ist ganz früh mit Lastautos gekommen und hat die beiden Häuser umstellt. Alle Zigeuner,- Männer, Frauen und Kinder-, mussten einsteigen. Sie wurden nach Villach auf die Polizeistation gebracht und dort eingesperrt. Die Polizei sagte zu ihnen: "Ihr werdet alle nach Polen gebracht. Dort bekommt ihr Land und Arbeit.":
Als wir in der Früh aufwachten waren die Zigeuner schon weg und die beiden Häuser waren leer. Wir haben nichts gehört weil wir auf der abgewandten Seite der Kaserne wohnten. Die Leute waren natürlich sehr aufgeregt und erzählten uns genau was passiert ist. Meine Schwester ist mit den beiden Kindern sofort zur Polizei nach Villach hineigegangen um zu schauen was mit dem Karli los ist. Man hat sie und die beiden Kinder gleich drinnen behalten. Meine Mutter ist auch zur Polizei nach Villach hinein. Sie wollte vor allem um die beiden Kinder heraus bekommen. Aber es war zwecklos, die Polizei war unnachgiebig. Ein paar Wochen später bekam meine Mutter ein Telegramm aus "Schmückau" oder so ähnlich mit der Nachricht, dass die kleine Melitta tot ist."
Gespräch geführt von Hans Haider im Februar 2000.

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Frau M¹., die früher in der Seebacher Kaserne wohnte, erinnert sich an die Sinti.
"Jetzt sind alle verstreut, hier bist du alleine, also ich fühl mich hier nicht wohl, es ist eine schöne Wohnung, aber... hier muß man immer absperren, in der Kaserne ist die Tür alleweil offen gewesen, sogar wie noch die Zigeuner unten waren, haben wir die Tür offengelassen. Das waren allesamt feine Leit, schön musiziert haben sie, 'Korale' und wie wir sie gerufen haben, die haben nichts getan. In der Nacht sind sie mit die Lastwägen gekommen. Die Pachernik Mädi, wir haben immer so zu ihr gesagt, wie sie richtig geheißen hat, hab ich gar nicht gewußt, die ist mit dem Korale mit, die hat mit dem Taubmann 2 Kinder gehabt, da ist sie mit, die haben ihr wollen die Kinder wegnehmen. Das war eine schlimme Zeit, wir haben nie mehr etwas gehört."
Quelle: Archiv Koroschitz - VIA (Verein Industriekultur und Alltagsgeschichte), 1997.
¹ Name dem Verein bekannt.

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Frau S¹. erzählt über die Sinti in der Oberen Fellach.
Frau S.: "...und habens des mit die Zigeuner schon ghert, wir haben ja Zigeuner da ghabt, des waren normale feine Leit. No, gfladert haben sie alle a bisserl, die Hendln und so, aber feine Leit, do derf ma nix sagen, wie hat er geheißen, der Hodli und seine Frau die Sonja , des war de schenste Frau im Dorf. Die haben haben alle in der Zigeunervilla gewohnt und dann sind die Nazi mit ihnen gefahren, umgebracht haben sie alle. Er war a guter Musiker."
Quelle: Archiv Koroschitz - VIA (Verein Industriekultur und Alltagsgeschichte), 1997.
¹ Name dem Verein bekannt.

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Frau G¹. und Herr G¹. erzählen über die Deportation der Seebacher Sinti.
Frau G.: "Wir haben geplärrt, wie sie die Zigeuner geholt haben. Freilich haben wir das mitgekriegt, es war ja um Sieben, viertel Acht Uhr früh, wir haben zur Schule müssen. Es war schrecklich."
Herr G.: "Genau! Über den könnens schreiben, über den Kriminalinspektor Brandl, das Schwein, der ist mit den Schuhen auf den Zigeuner seine Finger gestiegen, der hat sich wo eingehalten. Das gehört wirklich einmal erwähnt."
Frau G.: "Ich sag's ihnen, wenn die eine Leich g'habt haben, da haben sie zuerst geplärrt als wie, aber dann haben sie Musik gespielt, na, das war wirklich lustig."
Herr G.: "Die Pachernik, die hat mit dem Taubmann 2 Kinder gehabt, die hätte gar nicht mitgehen müssen. Nach 14 Tagen, 3 Wochen ist eine Nachricht gekommen: 'An Diphterie gestorben.' "
Frau G.: "Von die Zigeuner haben wir immer ein Stückerl Brot bekommen, die waren nicht zwida."
Herr G.: "Wir sind ja zusammen Schule gegangen, die haben uns auch schwimmen gelernt."
Quelle: Archiv Koroschitz - VIA (Verein Industriekultur und Alltagsgeschichte), 1997.
¹ Name dem Verein bekannt.

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Herr und Frau G¹. erzählen über das Zusammenleben mit den Sinti in der Oberen Fellach.
Herr G.: "Zigeuner haben wir auch hier gehabt. Die hat die Gemeinde in den Wald gesteckt, die wollten sie nicht im Ortsbild haben, in der Zigeunervilla."
Frau G.: "Da haben wirkliche Zigeuner gewohnt, Da war so ein Hüttenwerch und die Zigeunervilla, das war ein ehemaliges Offiziershaus..., Wir sind gerne hineingelaufen zu den Zigeunern, da war der Wurzengraber, a schiacher Teifel, der hat Wurzlwerch gegraben und verkauft... Schlangen hat er auch gefangen und das Gift genommen, a schiacher Hund, aber sehr interessant, wir sind ihm alle zugegangen, die Schlangen hat er sich um den Hals gehängt. Das waren alle anständige Leut, die Zigeuner, und die Kinder, die sind ja in die Schule gegangen. Die sind in der Früh als erstes durch das Dorf in die Schule gegangen. Die sind nie zu spät gekommen und die waren immer ordentlich beisammen. Weiter als in die 1.Klasse sind sie aber nicht gekommen, fürs Leben waren sie gescheit genug, die haben nicht mehr brauchen. Bei den Zigeunern hat es immer etwas zum Essen gegeben."
Herr G.: "Die haben Igel im Lehm herausgebraten und Schlangen haben sie auch gegessen, die waren recht erfinderisch. Am 19.März 1939 haben wir noch gemeinsam mit den Zigeunern Musterung gehabt. Ich war bei der Ersatzreserve I, die Zigeuner bei der Ersatzreserve II. Von denen sind ein paar in die Pionierkaserne eingerückt, aber das hat nicht lange gedauert."
Frau G.: "Es war an einem Sonntag, es war furchtbar. Beim Lindl und beim Kohlmesser haben die Leut kegelgeschoben und auf einmal ist ein Auto angekommen und dem Hodli haben die Leut zugerufen: Hodli lauf! Der Hodli hat ja viel Kontakt mit die Leut gehabt und der hat alles liegen und stehen lassen, aber die Polizisten haben schon alles abgesperrt gehabt und sie haben sie zusammengetrieben, auf das Auto aufgeladen und weggeführt. Die haben sie dann alle umgebracht. Das Volk war empört, das kann man sagen, das war empört und hat geschimpft."
Quelle: Archiv Koroschitz - VIA (Verein Industriekultur und Alltagsgeschichte), 1997.
¹ Name dem Verein bekannt.

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Herr G¹. erinnert sich an die gemeinsame Schulzeit.
"Mit die Zigeuner bin ich nach Villach in die Schule gegangen. Einer von denen, der ist in der Klagenfurter Straße um die Ecke immer in eine Fleischhauerei eine, und der Fleischhacker hat ihm immer ein Trumm Wurst gegeben. Wir haben nichts bekommen, ihm hat er immer eine gegebn. Und das muß ich sagen, der hat den Wurstzipf immer mit uns geteilt auf dem Nachhauseweg. Er hat auch gewußt, dass es bei den Franziskanern eine Suppe gibt. Wenn die Alten ihre Suppe gekriegt haben, ist oft ein Rest übriggeblieben und den haben wir dann wirklich gekriegt, das hat der gewußt."
Quelle: Archiv Koroschitz - VIA (Verein Industriekultur und Alltagsgeschichte), 1997.
¹ Name dem Verein bekannt.

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