Erinnern an die Opfer der Nationalsozialistischen Gewalt, Villach / Kärnten


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Das Denkmal der Namen

Denkmal der Namen VillachJede Gesellschaft wird nicht nur durch ihre Einstellung auf die Zukunft hin, sondern auch gegenüber der Vergangenheit bestimmt:
Ihre Erinnerungen sind nicht weniger
aufschlußreich als ihre Vorhaben.
(Octavio Paz)


Denkmäler als öffentliche Erinnerungszeichen lassen zwei Deutungen zu. Einerseits geben sie Auskunft über die Vergangenheit einer Stadt, andererseits erzählen sie uns auch, welche Einstellung die Bürgerinnen und Bürger einer Stadt zu dieser Vergangenheit haben, auf welchen historischen Bezugspunkten ihre Identität beruht und welches Bild von der Vergangenheit sie an die nachkommenden Generationen weitergeben wollen.

Während für die Gefallenen, die Vermissten und die Bombenopfer zahlreiche Denkmäler und Gedenktafeln in Villach vorhanden sind und alljährlich Gedenkfeiern von den Kameradschaftsbünden abgehalten werden, gab es für die Opfer der nationalsozialistischen Gewalt lange Zeit keine ausreichende Form des Gedenkens. Seit einigen Jahren erforscht der Verein »Erinnern« die Geschichte der Opfer und dokumentiert sie. Für die Mehrzahl dieser Opfer gibt es kein Grab und keinen Gedenkstein. Es war daher an der Zeit, dass Villach und seine Bevölkerung ein Zeichen für die Möglichkeit des öffentlichen Gedenkens setzten.

Ein »Denkmal der Namen« ist dazu die geeignete Form. Der Beginn der Entmenschlichung der Häftlinge bestand in der Eingravierung von Nummern in den Unterarm. Nummern statt Namen war der erste Schritt zur Auslöschung ihrer Identität. Der Nationalsozialismus hat die Opfer in Nummern und Objekte verwandelt, bevor er sie vernichtete. Wenn wir heute auf diesem Denkmal Namen statt anonymer Gedenkformeln verwenden, dann ist dies ein Schritt zur Wiederherstellung von menschlicher Würde und Identität.

Das Denkmal wurde als lebendiges Denkmal konzipiert, das heißt es besteht die Möglichkeit weitere Namen beizufügen, wenn die Forschung neue Namen zutage fördert. Im Jahre 1999 wurde das Denkmal mit 64 Namen enthüllt. Bis jetzt gab es viermal eine Erweiterung, so dass zur Zeit 252 Namen auf dem Denkmal aufscheinen.

Schon mehrmals ist das »Denkmal der Namen« von unbekannten Tätern verwüstet worden. Mit Spendengeldern haben wir es jedes Mal wieder instand gesetzt und mit einer öffentlichen Veranstaltung seine Wiederherstellung gefeiert.

Auf diesem Denkmal stehen die Namen und Lebensdaten von Menschen, die in unserer Stadt und in den umliegenden Gemeinden gelebt haben und die aus den verschiedensten Gründen von den Nazis verfolgt und ermordet wurden: Jüdinnen, Juden und Sinti aus rassistischen Gründen, Zeugen Jehovas wegen ihrer religiösen Überzeugung, behinderte Menschen, weil sie den „gesunden Volkskörper“ schädigten, Slowenen, weil die Nazis das Land „deutsch“ machen wollten, Menschen die im Gasthaus nach einem Bier die große Lippe riskierten,

Zwangsarbeiter, die es wagten die Arbeit zu verweigern, aber auch Menschen, die aus politischer Überzeugung bewusst Widerstand leisteten und sei es „nur“, dass sie einem russischen Kriegsgefangenen ein Stück Brot gaben oder, dass sie den polnischen Zwangsarbeitern die Teilnahme an der Messe ermöglichten.

Das Denkmal wurde unter spezieller Berücksichtigung der räumlichen Situation entworfen. Als idealen Ort hat uns die Stadt dankenswerter Weise die Mauer in der Widmanngasse gegenüber dem Stadtmuseum zur Verfügung gestellt. Da es sich um einen zentralen Punkt in der Innenstadt handelt, bekommt das Denkmal die nötige Aufmerksamkeit. Es besteht aus einer Metallsäule aus Edelstahl, geteilt durch die Schriftzüge „ERINNERN“ und „AN DIE OPFER DER NATIONALSOZIALISTISCHEN GEWALT“. Die Konstruktion ist von innen beleuchtet, sodass im austretenden Licht die Schriftzüge in der Nacht sichtbar sind. Seitlich davon sind auf durchsichtigen Glastafeln die eingravierten Namen der Opfer in einer gitterförmigen Stahlkonstruktion angeordnet. Die dahinter liegende Mauer bleibt sichtbar, sodass Mauer und Gitter symbolhaft an die beiden Metaphern „hinter Gittern“ und „an die Wand stellen“ erinnern. Die ursprünglich symmetrische, an die christliche Kreuzform angelehnte Gestaltung, wurde von uns bewusst verworfen und dekonstruiert, indem die Metallsäule seitlich versetzt wurde. Die nunmehr asymmetrische Form des Mahnmals, mit den alphabetisch angeordneten Namen, hebt die Bedeutung der Inschriften hervor und verleiht dadurch dem Denkmal, wie von uns beabsichtigt, einen stärkeren Memorial-Charakter. In seiner Nüchternheit und Klarheit hebt sich dieses Denkmal deutlich von der heute nicht mehr als zeitgemäß empfundenen, pathetischen Denkmalkultur früherer Jahrzehnte ab.

Das »Denkmal der Namen« ist im hohen Maße ein Denkmal der Schrift. Auf den Glastafeln sind nicht nur der Name, sondern auch das Geburtsjahr, das Todesjahr und der Todesort eingraviert. Auf diese Weise erscheint auf dem

Denkmal eine Topographie des nationalsozialistischen Terrors. Beim Lesen und Vergleichen des Geburtsjahres mit dem Todesjahr, erkennt man, dass viele Kinder ja sogar Säuglinge von den Nationalsozialisten ermordet wurden.

Dieses Denkmal und alle Namen, die auf ihm eingraviert sind, geben der Stadt Villach ein Stück Würde und Menschlichkeit zurück – zwei Eigenschaften, die diese Stadt in den Jahren von 1938 bis 1945 so gnadenlos vermissen ließ.

Hans Haider, November 2008

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Archiv: Das Denkmal der Namen (Text Oktober 1999)

Denkmäler als öffentliche Erinnerungszeichen lassen zwei Deutungen zu. Einerseits geben sie Auskunft über die Vergangenheit einer Stadt, andererseits erzählen sie uns auch, welche Einstellung die Bürger und Bürgerinnen einer Stadt zu dieser Vergangenheit haben, auf welchen historischen Bezugspunkten ihre Identität beruht und welches Bild von der Vergangenheit sie an die nachkommenden Generationen weitergeben wollen.

Während für die Gefallenen, die Vermißten und die Bombenopfer zahlreiche Denkmäler und Gedenktafeln in Villach vorhanden sind und alljährlich Gedenkfeiern von den Kameradschaftsbünden abgehalten werden, gibt es für die Opfer der nationalsozialistischen Gewalt bisher keine ausreichende Form des Gedenkens. Seit einigen Jahren erforscht der Verein 'Erinnern' die Geschichte der Opfer und ist dabei, sie zu dokumentieren. Für die Mehrzahl dieser Opfer gibt es kein Grab und keinen Gedenkstein. Es ist daher an der Zeit, daß Villach und seine Bevölkerung ein Zeichen für die Möglichkeit des öffentlichen Gedenkens setzen.

Wir sind überzeugt, daß ein 'Denkmal der Namen' dazu eine geeignete Form ist. Der Beginn der Entmenschlichung der Häftlinge bestand in der Eingravierung von Nummern in den Unterarm. Nummern statt Namen war der erste Schritt zur Auslöschung ihrer Identität. Der Nationalsozialismus hat die Opfer in Nummern und Objekte verwandelt, bevor er sie vernichtete. Wenn wir heute auf diesem Denkmal Namen statt anonymer Gedenkformeln verwenden, dann ist dies ein Schritt zur Wiederherstellung von menschlicher Würde und Identität.

Konzeption

Das Denkmal wurde von dem Künstler Heinz Aichernig unter spezieller Berücksichtigung der räumlichen Situation entworfen. Als idealen Ort hat uns die Stadt die Mauer in der Widmanngasse gegenüber dem Stadtmuseum zur Verfügung gestellt. Da es sich um einen zentralen Punkt in der Innenstadt handelt, wird das Denkmal die nötige Aufmerksamkeit bekommen. Das Denkmal besteht aus einem schmalen zentralen Teil und zwei Seitenflügeln und bildet eine stilisierte Kreuzform. Der zentrale Teil ist eine Edelstahlkonstruktion, geteilt durch die Schriftzüge "Erinnern" und "An die Opfer der Nationalsozialistischen Gewalt".
Die Konstruktion ist von innen beleuchtet, sodaß im austretenden Licht die Schriftzüge sichtbar werden. Auf durchsichtigen Glastafeln sind die Namen der Opfer mit Geburtsjahr und Sterbejahr eingeätzt. Die ebenfalls eingeätzten Hinweise 'KZ-Auschwitz, Hingerichtet, Euthanasie, Deportiert' erlauben eine eindeutige Zuordnung. Die dahinterliegende Mauer bleibt sichtbar. Zusammen mit dem Stahlgerüst ergeben die Glastafeln ein Gitterraster, sodaß Mauer und Gitter /'hinter Gittern, an die Wand stellen'), wie vom Künstler beabsichtigt, symbolhaft hervortreten. In seiner Nüchternheit und Klarheit hebt sich dieses Denkmal deutlich von der heute nicht mehr als zeitgemäß empfundenen, pathetischen Denkmalkultur früherer Jahrzehnte ab. Es ist als offenes Denkmal konzipiert, das heißt, es ist vorgesehen, weitere Tafeln einzufügen, wenn neuere Forschungen neue Namen zutage fördern.

Enthüllung

Am 24. September 1999 wurde das 'Denkmal der Namen' enthüllt. Vorläufig finden 64 Namen auf den Tafeln Platz. Im Laufe des nächsten Jahres sollen weitere hinzukommen.

Besucher bei der Eröffnung des Denkmals Besucher bei der Eröffnung des Denkmals
Besucher bei der Eröffnung des Denkmals der Namen im September 1999

Den Ehrenschutz bei der Enhüllung übernahmen Bischof Dr. Egon Kapellari, Superintendent Mag. Joachim Rathke und Bürgermeister Helmut Manzenreiter. Ansprachen wurden von Mag. Hans Haider, dem Obmann des Vereins Erinnern, und von dem slowenischen Schriftsteller Andrej Kokot, der Name dessen Bruders am Denkmal zu finden ist, gehalten. Schülerinnen und Schüler des Peraugymnasiums lasen Gespräche vor, die mit Zeitzeugen zum Thema geführt worden sind. Die Musikalische Gestaltung der Enthüllung wurden vom Chor des Peraugymnasiums sowie vom KELAG-Blasorchester übernommen.

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